Studie zu Klimaeffekten der Digitalisierung

19. April 2021. Die im Auf­trag des Digi­tal­ver­bands Bit­kom erstell­te Stu­die „Kli­ma­ef­fek­te der Digi­ta­li­sie­rung“ hat gezeigt, dass die CO2-Emis­sio­nen in Deutsch­land durch den beschleu­nig­ten Ein­satz digi­ta­ler Lösun­gen in den kom­men­den zehn Jah­ren um bis zu 151 Mega­ton­nen CO2 ver­rin­gert wer­den können.

In der von den Umwelt- und Digi­ta­li­sie­rungs­spe­zia­lis­ten Accen­ture durch­ge­führ­ten Stu­die sind jene sie­ben Anwen­dungs­be­rei­che digi­ta­ler Tech­no­lo­gien unter­sucht wor­den, in denen ein beson­ders gro­ßer CO2-Ein­spar­ef­fekt erzielt wer­den kann. Zugleich wur­de auch der CO2-Aus­stoß unter­sucht, der von den digi­ta­len Tech­no­lo­gien selbst aus­geht. So ver­ur­sa­chen ins­be­son­de­re Her­stel­lung und Betrieb von End­ge­rä­ten wie Bild­schir­men, Com­pu­tern oder Tablets, aber auch der Betrieb der Netz­in­fra­struk­tur und der Rechen­zen­tren mit­tel­bar CO2-Emis­sio­nen. Schrei­tet die Digi­ta­li­sie­rung in einem mode­ra­ten Tem­po fort, wer­den hier­durch im Jahr 2030 rund 16 Mega­ton­nen CO2 jähr­lich aus­ge­sto­ßen. Bei einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung sind es 22 Mega­ton­nen. Ins­ge­samt, so das Fazit der Stu­die, ist das CO2-Ein­spar­po­ten­zi­al der hier betrach­te­ten digi­ta­len Tech­no­lo­gien mehr als sechs Mal höher als ihr eige­ner Ausstoß.

Tempo der Digitalisierung

Ent­schei­dend sei laut Bit­kom, wie kon­se­quent die Digi­ta­li­sie­rung bis 2030 vor­an­ge­trie­ben wer­de. So bezif­fert die Stu­die das CO2-Ein­spar­po­ten­zi­al bei einer eher mode­ra­ten Ent­wick­lung der Digi­ta­li­sie­rung, wie sie aktu­ell in Deutsch­land statt­fin­det, auf rund 102 Mega­ton­nen bis zum Jahr 2030. Das ent­spricht 39 Pro­zent der not­wen­di­gen CO2-Ein­spa­run­gen. Unter Berück­sich­ti­gung jenes CO2-Aus­sto­ßes, der durch Pro­duk­ti­on und Betrieb digi­ta­ler Tech­no­lo­gien ver­ur­sacht wird, liegt der Net­to-Effekt in die­sem Sze­na­rio bei 86 Mega­ton­nen, was 33 Pro­zent der not­wen­di­gen Ein­spa­run­gen ent­spricht. Mit einer beschleu­nig­ten und geziel­ten Digi­ta­li­sie­rung ist die CO2-Reduk­ti­on mit den genann­ten 151 Mega­ton­nen deut­lich grö­ßer und beträgt 58 Pro­zent der not­wen­di­gen Ein­spa­run­gen (net­to: 129 MT CO2 bzw. 49 Pro­zent der Einsparungen).

Die Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • Ener­gie: Im Ener­gie­sek­tor las­sen sich bis zu 23 Mega­ton­nen CO2 bei einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung und 19 Mega­ton­nen CO2 bei einer mode­ra­ten Digi­ta­li­sie­rung bis 2030 ein­spa­ren. Maß­geb­li­che Tech­no­lo­gie sind hier zum einen Smart Grids, also intel­li­gen­te Strom­net­ze, in denen Strom­erzeu­gung und -ver­brauch prä­zi­se gesteu­ert wer­den kön­nen. Zum ande­ren geht es um eine digi­tal gesteu­er­te, effi­zi­en­te Pro­duk­ti­on erneu­er­ba­rer Ener­gien. Digi­ta­le Tech­no­lo­gien wie etwa Künst­li­che Intel­li­genz und Big Data kön­nen den Zustand von Anla­gen zur Pro­duk­ti­on erneu­er­ba­rer Ener­gien in Echt­zeit über­wa­chen und analysieren.
  • Gesund­heit: In der Coro­na-Pan­de­mie hat die Nut­zung von Video-Sprech­stun­den deut­lich zuge­nom­men. Zugleich wur­den erst kürz­lich soge­nann­te digi­ta­le Gesund­heits­an­wen­dun­gen als Medi­zin­pro­dukt zuge­las­sen, also Apps auf Rezept. Vie­le von ihnen kön­nen Besu­che in medi­zi­ni­schen Ein­rich­tun­gen erset­zen. Durch sol­che und ande­re Anwen­dun­gen aus dem Bereich E-Health kön­nen bis zu 0,4 Mega­ton­nen CO2 im Sze­na­rio einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung und bis zu 0,3 Mega­ton­nen CO2 bei einer mode­ra­ten Digi­ta­li­sie­rung bis 2030 ein­ge­spart wer­den. Allein die Ein­füh­rung der elek­tro­ni­schen Pati­en­ten­ak­te spart 6.000 Ton­nen CO2 pro Jahr ein.
  • Indus­tri­el­le Fer­ti­gung: Im Bereich der indus­tri­el­len Fer­ti­gung ent­fal­ten digi­ta­le Tech­no­lo­gien das größ­te CO2-Ein­spar­po­ten­zi­al unter den betrach­te­ten Anwen­dungs­be­rei­chen: Bis zu 61 Mega­ton­nen CO2 kön­nen bei einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung bis 2030 ein­ge­spart wer­den – und 35 Mega­ton­nen bei einem mode­ra­ten Digi­ta­li­sie­rungs­tem­po. Maß­geb­li­che Tech­no­lo­gie ist zum einen die Auto­ma­ti­sie­rung in der Pro­duk­ti­on, bei der Anla­gen und Maschi­nen, Werk­stü­cke und ihre Bau­tei­le mit­ein­an­der ver­netzt sind und Pro­zes­se selbst­stän­dig unter mög­lichst gerin­gem Mate­ri­al- und Ener­gie­ein­satz ablaufen.
  • Mobi­li­tät: Bis zu 28 Mega­ton­nen CO2 bei einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung und 17 Mega­ton­nen CO2 bei einer mode­ra­ten Digi­ta­li­sie­rung las­sen sich bis 2030 in die­sem Bereich ein­spa­ren. Bedeu­ten­der Hebel ist hier zum einen eine intel­li­gen­te Ver­kehrs­steue­rung, bei der etwa Sen­so­ren an der Stra­ße oder GPS-Sys­te­me in Autos Daten lie­fern, mit denen Ampeln geschal­tet, Ver­kehrs­strö­me umge­lei­tet oder öffent­li­che Trans­port­mit­tel gestärkt wer­den kön­nen. Zum ande­ren lie­gen gro­ße Poten­zia­le in einer smar­ten Logis­tik, die Leer­fahr­ten ver­mei­det und Fracht­rou­ten optimiert.
  • Gebäu­de: Smart-Home-Tech­no­lo­gien hel­fen schon heu­te vie­len Men­schen dabei, Ener­gie ein­zu­spa­ren. Auch in gro­ßen Büro- und Geschäfts­kom­ple­xen wer­den digi­ta­le Lösun­gen ein­ge­setzt, die Hei­zung, Lüf­tung oder Kli­ma­ti­sie­rung je nach Wet­ter­ver­hält­nis­sen oder Anzahl der anwe­sen­den Ange­stell­ten auto­ma­tisch regeln. Smart Homes und intel­li­gen­te, ver­netz­te Gebäu­de kön­nen bei einer mode­ra­ten Ver­brei­tung der ent­spre­chen­den Tech­no­lo­gien bis 2030 rund 16 Mega­ton­nen CO2 ein­spa­ren. Bis zu 19 Mega­ton­nen sind es, wenn die Ver­brei­tung smar­ter Tech­no­lo­gien schnel­ler vor­an­ge­trie­ben wird.
  • Arbeit und Busi­ness: Jeder Tag im Home­of­fice kann einen mess­ba­ren Bei­trag zum Kli­ma­schutz leis­ten. 2019 haben erst zwölf Pro­zent der Berufs­tä­ti­gen in Deutsch­land im Schnitt zwei Tage pro Woche im Home­of­fice gear­bei­tet. Bei einer mode­ra­ten Ent­wick­lung erreicht die­ser Wert im Jahr 2030 48 Pro­zent – und 55 Pro­zent bei einer beschleu­nig­ten Digi­ta­li­sie­rung der Büro­ar­beit. Auch der Ersatz von Geschäfts­rei­sen durch Video­kon­fe­ren­zen sowie eine Reduk­ti­on von Büro­flä­chen fal­len ins Gewicht. Zwi­schen zehn und zwölf Mega­ton­nen CO2 könn­ten so bis 2030 ein­ge­spart werden.

„Eine kon­se­quen­te Digi­ta­li­sie­rung ist der Schlüs­sel zu einer erfolg­rei­chen Kli­ma­po­li­tik“, bilan­ziert Roh­le­der. Klei­ne und mitt­le­re Unter­neh­men müss­ten durch eine Neu­auf­la­ge des Pro­gramms „digi­tal jetzt“ bei Inves­ti­tio­nen in digi­ta­le Tech­no­lo­gien unter­stützt wer­den. „Das zahlt nicht nur auf die Nach­hal­tig­keit ein, son­dern macht die Unter­neh­men auch zukunfts- und wett­be­werbs­fä­hig“, betont Roh­le­der. Aber auch die Ent­schei­dungs­trä­ger in Unter­neh­men sei­en gefragt. So soll­ten alle Unter­neh­men auch nach der Coro­na-Pan­de­mie Dienst­rei­sen durch Web­kon­fe­ren­zen weit­ge­hend erset­zen und ihren Mit­ar­bei­tern mög­lichst umfas­send Home­of­fice ermöglichen.